Gelüftet: das größte Geheimnis des Ruhrbergbaues!

Schade, wirklich schade. Gezz is dat größte Geheimnis des Bergbaues anner, also eher unter der Ruhr, oder noch besser: dat größte Geheimnis der Bergleute hier bei uns im Ruhrgebiet kein Geheimnis mehr.
Gezz isset also nach über 160 Jahren Ruhrbergbau doch noch anne Sonne gekommen, obwohl: et sollte ja eigentlich ein ewiget Geheimnis bleiben. Einet, auf dat alle Bergleute den heiligen Schwur geleistet haben, datt se dat schön für sich behalten, weil se sonst vom gefürchteten Stollengeist geholt werden. Dat is kein Schnaps, sondern eine ruheloset, furchtbar böset Gespenst, dat mit Kettengerassel und Gestöhne die Tiefen der Stollen durchwandert, und dat schon so manch einen Kumpel auf das Schlimmste abgemurxt hat, den er auffem Kieker hatte. Mal fiel ein dicker Kohlebrocken herab, oder et knickte ein Stempel um, oder der Förderkorb stürzte mit der armen Kumpelseele in die ewige Tiefe. Der Bammel vor dat allet und natürlich die Bergmanns-Ehre haben et bisher erfolgreich vermieden, datt dat große Geheimnis ausser Tiefe jemals nach über Tage anne Sonne kommt.
Tja, und gezz isset tatsächlich gelüftet, dat große Geheimnis. Muss irgendwie passiert sein. Keiner weiß, wer et war, der seinen Sabbel nich halten konnte. Aber sonne Leute gab et ja immer schon.
Und gezz, wo et ja raus is, watt et mit dem Geheimnis auf sich hat, kann et auch der Rest vonne Menschheit hier auch erfahren.
Also: et gibt ja die alte Geschichte, datt sich im Winter Anno Piependeckel ein Schweinehirte hier anner Ruhr ein Feuerken für zum Aufwärmen machte, und dann isser eingeschlafen. Als er am anderen Morgen wach wurde, war dat Feuer immer noch an, die Steine um dat Feuer waren noch richtich rot am Glühen. Sowatt kannte bis dahin noch keiner, und dat hat dann überall die Runde gemacht. Gezz war jeder doll auf die schwatten Steine, und so haben se überall tiefe Löcher gegraben, so tief, datt se auf einmal unter Tage waren. Und so sind dann auch die Zechen hier bei uns entstanden.

Nur, dat stimmt allet gar nicht. Dat is gar nich so passiert.
Dat war allet ganz anders.
Also, dat mit dem Schweinehirten, gut, dat stimmt. Und der is auch an sein nächtlichet Feuerken eingeschlafen. Soweit is allet richtig.
Aber, der is nich am anderen Morgen einfach so wach geworden, sondern weil er auf einmal wat richtich Wunderschönet gerochen hat. Ein süßer Duft, sowat Schönet hat der noch nie in seiner Nase gehabt. Der kannte bisher nur den Geruch von Schweinekacke. Dat war er gewohnt, und er konnte sogar jedet seiner Schweine am Geruch erkennen.
Aber dat süße Düftchen, wat da aus seinem Feuerken stieg, dat war dat Schönste, wat seine Nase jemals gerochen hat.
Er machte seine Augen zu, und betete zum Himmel: „Lieber Gott, ich weiss nich, watt dat is, aber lass mich Tausend Nasen haben, ich krich einfach nich genuch davon! Amen.“
Nur, dat Beten hat nich geklappt. Die eine Nase musste ihm reichen. Als er dann gucken wollte, woher dat schöne Aroma wohl her is, sah er, datt die schwatten Steine, die er am Abend als Windschutz um sein Feuerken gelegt hatte, voll rot am Glühem waren und Wärme abgaben. Und nich nur dat! Die waren et auch, die so herrlich nach wat unbekanntem Schönen dufteten.

Plötzlich hörte er Pferdegetrappel und er sah, datt Hugo, sein Boss, dem die Schweine gehörten, mittem Pferd angeritten kam, hastig abstieg und wissen wollte, wat denn da so schön riecht, dat hätte er schon von Weitem gerochen. Die Schweine könnten dat doch wohl nich sein!
Ja, und dann erzählte der Hirte seinem Boss Hugo, wat er da entdeckt hat, datt der schöne Geruch wohl von diese schwatten Steine kommen muss. Da muss wohl wat drin sein, wat noch keiner vorher entdeckt hat.
Ja, und dann hat der Boss nach diesen Steinen buddeln lassen, wat sich natürlich herumsprach. Und dann hatter, der Boss, die Steine heimlich untersuchen lassen, wat da wohl drin sein könnte. Und man hat rausgekricht, datt die Steine früher inne Urzeit mal wat Pflanzlichet waren, also Pflanzen, die im Sumpf versunken sind, und mit der Zeit immer mehr Erde drüber kam, so datt die Pflanzen keine Luft mehr krichten, und dann wurden se schwarz. Und dat ganz Besondere war, dattet hier damals inne Urzeit ein richtiget Meer an Lotuswäldern gegeben hat. Und auch nur hier. Allet voll mit Lotus. Und deswegen rochen die schwatten Steine auch beim Feuerken von dem Hirten so schön. Wusste aber keiner, nur der Boss Hugo. Und der wollte dat Geheimnis für sich behalten, weil er den Plan hatte, daraus Pafümm zu machen. Hatter aber keinem verraten. Er hat nur erzählte, er will nach den Steinen graben lassen, weil die so gut zum Heizen sind, wat ja auch stimmt, aber auch nur zum Teil. Und weil er die Leute so schön verkohlt hatte, rieb er sich vor Jux die Hände und nannte Steine Steinkohle.
Dat mit dem Pafümm machen, dat fand heimlich unter Tage statt, in heimlichen Labors tief unten inner Erde. Allet, wat an Lotus inner Kohle steckte, wurde entfernt und für Pafümm gesammelt, der Rest ging dann nach oben, für die Leute zum Verheizen.

Und jeder, der beim Boss Hugo im unterirdischen Labor oder als Bergmann arbeiten wollte, musste bei seinem Leben schwören, dieset Geheimnis für sich zu behalten, weil sonst der gefürchtete Stollengeist gnadenlos zuschlagen würde.
Und bis gezz hat auch nie einer wat verraten.

Hugo, der Boss, hatte neben dem Pafümm aber auch noch wat anderet herstellen lassen: die Bergmannsseife! Die gab et auch nur auffem Pütt und nirgendwo anders. Und wenn sich die Kumpels nacher Schicht inner Waschkaue mit dieser Bergmannsseife dat Schwatte vom Körper geduscht hatten, rochen se immer so schön, wenn se nach Hause kamen. Und weil die Bergmannsfrauen immer so gerne an ihren frischgeduschten Männern rochen, ließ et sich nich vermeiden, datt irgendwann dann „der Stall voller Blagen“ war. Kinderreichtum im Pott dank Bergmannsseife. Und dat war auch Absicht vom Boss Hugo, denn so brauchte er sich um Bergleute-Nachwuchs keine Sorgen machen.

Boss Hugo wurde steinreich, verkaufte Pafümm und sogar teure Klamotten mit seinem Namen drauf. Sogar eine Zeche wurde nach ihm benannt: die Zeche HUGO in Gelsenkirchen-Buer. Kaum unglaublich…

Im Drogeriemarkt entdeckt: Duschgel MEIN REVIER mit Lotusduft. Foto Lothar Lange

Gezz, wo dat Geheimnis mit dem Lotusduft inner Kohle und die erotische Wirkung der Bergmannsseife gelüftet ist, könnten wir alle, die hier „auf Kohle geboren“ sind, einmal ein bissken darüber nachdenken, wem wir unser heutiget Dasein wohl zu verdanken haben  😉

Bis die Tage!

Wer die Geschichte nicht glauben will, muss es auch nicht.
Kleine Schwindeleien sind leichte Seitensprünge der Wahrheit.


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3 Antworten zu Gelüftet: das größte Geheimnis des Ruhrbergbaues!

  1. Prima Geschichte, lieber Lo. Hab sie mit großem Vergnügen gelesen.

    • Lo sagt:

      Dankeschön, lieber Jules. Eigentlich ein spontaner Nonsens-Einfall, als ich die Lotus-Duschgel-Tube in einem Laden entdeckte.
      Klar, dass die Bergleute früher alle nach Lotus dufteten, wenn sie von ihrer schweren Arbeit wieder aus der Grube ans Tageslicht kamen. Wir alle hier im Pott, und auch die Luft um uns herum roch so wunderbar nach Lotus.
      Ausser zur Weihnachtszeit: da roch es im Kohlenpott überall nach Äpfeln und Nüssen.
      Verrückt, auf weche Artikel man „Ruhrpott“ oder „Mein Revier“ druckt, um vielleicht die „Ruhris“ als Käuferschicht anzulocken. Aber solche unsinnigen Devotionalien findet man ja auch in den Fanshops der Fußballclubs.
      Ein lieber Gruß zu Dir!
      Lo

  2. pathologe1 sagt:

    Da hat er aber Glück gehabt, der Hugo. Denn es ist nur ein kleiner Schritt vom Lotus zum Lokus. Und dann hat sich das aber schnell mit dem gut Riechen. Was haben wir alle Glück gehabt!

Schreib mir! :-)