Kleine Schwatte!

Kleine Schwatte!

Eine Reverenz an die Emscher*

Kohlenspott Emscher

Wild sprangst Du einst in Deinem Lauf,
und nichts hielt Dich beim Wandern auf,
Dein Bett war nie am selben Ort,
mäandern war Dein Lieblingssport.

Bis dann der Moloch zu Dir kam
Dir Jugend und die Unschuld nahm,
und Dich besudelt und geschändet,
wie eine Dirne Dich verwendet.

Dass einer mal mit Dir mal was hatte,
gesteht doch keiner, kleine Schwatte!
Jede andre wäre reiner!,
so klagt man und man schämt sich Deiner.

Obwohl ein jeder Dich benutzt,
Dich gar in Deinem Bett beschmutzt,
leugnet man Dich,
man kennt Dich nicht.

Du kleine Schwatte! Unperson!
Du stinkst! – schimpft man mit Unterton.
Wobei doch das, was bei Dir riecht,
genau aus denen selber kriecht,
der Unrat, der sie stört im Leben,
und den sie an Dich weitergeben.

Nur sie mag Dich: die Wasser-Ratte.
Arme Emscher!
Kleine Schwatte!

Lo Lange  (2008)

 

Verdelli, wat hat dat früher gestunken! *Die Emscher ist ein Nebenfluss des Rheins im Ruhrgebiet und galt zu meiner Kindheit nicht nur als der dreckigste Fluss Deutschlands, sondern als die größte Kloake Europas, weil man alle häuslichen und gewerblichen Abwässer in sie ableitete. Man konnte die Emscher schon von weitem riechen, ganz besonders im Sommer. Vor etwa fünfzehn Jahren hat man damit begonnen, die Emscher Stück für Stück wieder zu renaturieren. Die Kloake ist endgültig unter der Erde in Rohren verschwunden. Heute ist die  Emscher ist wieder sauber, sie führt Regenwasser und erste Fische sollen schon gesichtet worden sein…

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11 Antworten zu Kleine Schwatte!

  1. Im vorigen Text war die Rede von der Köttelbeeke. An sie musste ich spontan denken, als ich in der Überschrift von der Emscher las. Michael Holzach (Deutschland umsonst) ist in der Emscher ertrunken, als er seinen Hund Feldmann retten wollte, der hineingefallen war.
    Schön, dass die Emscher jetzt renaturiert wird.

    • Lo sagt:

      Ja, das war auch für uns Kinder eine ganz schlimme Vorstellung: in die Emscher zu fallen. Das Abwasser war richtig tiefschwarz und man konnte in der Tat „Köttel“ an der Oberfläche schwimmend sehen. Der Emschergeruch wird mir lebenslang Erinnerung bleiben.

  2. Ich bin in der Nähe der Lenne aufgewachsen, die sah, jedenfalls wenn ich meiner kindlichen Erinnerung trauen kann, ganz okay aus. Aber Flüsse rochen in den fünfziger/sechziger Jahren alle nach Chemie und Scheiße. Und niemand regte sich darüber auf. Manche Dinge ändern sich doch.

  3. Lieber Lo!
    Ihre wunderbar flüssigen Zeilen fließen geschmeidig durch die Kanäle der Bloghüttenbauten. Wie gut, dass Sie das Flussbett nicht mit Fließtext gefüllt und poetisches Gewässer haben plätschern lassen! 🙂
    Durchnässte Grüße
    Mallybeau Mauswohn

  4. Jane Blond sagt:

    Ich schließe mich Mallybeau Maus an. Das Gedicht fließt nur so!

  5. Hey, wie kam´s zum Gedicht?
    Vielleicht interessiert dich mein neuer Blog über die Startup-Szene! http://www.lightupruhr.wordpress.com

  6. Heinrich sagt:

    Lieber Lo,
    da Sie dieses schöne Gedicht schon 2008 geschrieben haben und die kleine Schwatte nun gar nicht mehr so „schwatt“ ist, hätte sie doch noch eine (neue) Strophe verdient – oder?
    ich wollte Sie gerne dazu animieren. 😉
    Gruß Heinrich

    • Lo sagt:

      Das ist in der Tat eine schöne Idee, lieber Heinrich.
      So, wie der Phoenix aus der Asche wieder zu neuem Leben fand,
      lebt die einst totbeschmutzte Emscher wieder auf und fließt munter dahin.
      Und wenn mich die Muse küsst…..
      Mal schauen.
      Danke für diesen Anstoß 🙂

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